Pressemitteilung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts

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Beitragsbild: pexels.com

Der Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts ist aus Sicht von Amnesty International in Deutschland ein richtiger und begrüßenswerter Schritt. Amnesty International hat in einer Stellungnahme zum Referent*innenentwurf im August 2023 jedoch Verbesserungen angemahnt, die im nun veröffentlichten Regierungsentwurf nur teilweise umgesetzt wurden. Die geforderten Änderungen sind notwendig, um den Zielen des Völkerstrafrechts gerecht zu werden und einen effektiven Opferschutz zu gewährleisten. Daher mahnt die Menschenrechtsorganisation Nachbesserungen an.

Zu geringe Fortschritte bei Opferrechten

Bedauerlich ist, dass die Nebenklagebefugnis mit den neu eingeführten Rechten auf kostenlosen Rechtsbeistand und kostenloser psychosozialer Prozessbegleitung nicht auf Betroffene aller Völkerrechtsverbrechen ausgeweitet werden soll.

Begrüßenswerte neue Straftatbestände

Begrüßenswert ist, dass die „sexuelle Orientierung“ in den Verfolgungstatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB aufgenommen wurde. Damit wird der Regierungsentwurf der Forderung von Amnesty International gerecht, diese Personengruppe explizit zu schützen.
Das Streichen des Nachfrageerfordernisses im Tatbestand des Verschwindenlassens sowie die Einführung eines Tatbestands des Verschwindenlassens im StGB entspricht den Forderungen von Amnesty International. Bedauerlich ist allerdings, dass der geplante StGB-Tatbestand in der derzeitigen Form kein Verschwindenlassen durch nicht-staatliche Akteure erfasst.

Erhebliche Mängel beim Zugang zu Verfahren

Bedauerlicherweise berücksichtigt der Entwurf keine Forderungen aus der Zivilgesellschaft zur Verbesserung des Zugangs zu Völkerstrafverfahren. So soll Medienvertreter*innen zwar ermöglicht werden, Verdolmetschungen zu nutzen. Es ist aber kein Anspruch auf kostenlose Verdolmetschung für Medienvertreter*innen vorgesehen. Außerdem wird bislang keine Simultanübersetzung für Zuschauer*innen ermöglicht. Der Regierungsentwurf enthält auch keine Regelung zur Übersetzung von Pressemitteilungen, Hinweisen zum Akkreditierungsverfahren, Terminmitteilungen und sonstigen Mitteilungen des Gerichts.
Begrüßenswert ist die vorgesehene Ergänzung des § 169 Abs. 2 GVG, wonach für wissenschaftliche und historische Zwecke bei Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung neben Tonaufnahmen auch Bildaufnahmen ermöglicht werden. Positiv ist auch die geplante Verwendbarkeit audiovisueller Aufzeichnungen für wissenschaftliche und historische Zwecke. Da die Entscheidung über die Aufzeichnung bzw. die Verwendbarkeit der Aufzeichnung weiterhin nicht gerichtlich überprüfbar ist, steht allerdings zu befürchten, dass historisch bedeutsame Völkerstrafverfahren auch zukünftig nicht für die Nachwelt erhalten bleiben.

Verfahrenseinstellungen und Weisungsrecht

Zu bemängeln ist außerdem, dass vor einer Einstellung nach § 153f StPO weiterhin keine gerichtliche Zustimmung erforderlich sein soll und die Einführung eines eigenständigen Rechtsbehelfs gegen eine solche Einstellung bislang nicht vorgesehen ist. Zudem versäumt es der Regierungsentwurf bedauerlicherweise, eine Bereichsausnahme für das Weisungsrecht des*der Bundesjustizminister*in der Justiz gegenüber der Generalbundesanwält*innenschaft für Völkerstraftaten in § 147 Nr. 1 GVG einzuführen.

Hintergrund

Das geplante Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts soll bestehende Lücken im deutschen Völkerstrafrecht schließen und einen möglichst weitgehenden Gleichlauf zwischen dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 und dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch vom 26. Juni 2002 herstellen.

28. Februar 2024